Betriebsratstätigkeit – Wann liegt vergütungspflichtige Arbeitszeit vor?

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.01.2017

von Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte

Mit Urteil vom 18.01.2017 hat das Bundesarbeitsgericht (Az.7 AZR 224/15) darüber entschieden, wann aufgrund ausgeübter Betriebsratstätigkeit vergütungspflichtige Arbeitszeit vorliegt und wie sich dies auf das Recht des Betriebsrats Pausen in Anspruch zu nehmen auswirkt. Das Urteil liegt derzeit in Form einer Pressemitteilung vor.

Der Fall – was war passiert?

Der Kläger ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats und arbeitet im Dreischichtbetrieb. Er war in der Nacht vom 16. Juli auf den 17. Juli 2013 für eine Nachtschicht von 22:00 Uhr – 06:00 Uhr bei einer Pause von 02:30 Uhr – 03:00 Uhr eingeteilt. Am 17.07.13 nahm der Kläger von 13:00 Uhr – 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte er in der vorherigen Nachtschicht seine Arbeit um 02:30 Uhr ein. Ihm wurde für diese Nachtschicht von der Beklagten nur der Zeitraum bis 03:00 Uhr und von 05:00 Uhr – 06:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.
Mit seiner Klage hat der Kläger u. a. die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 03:00 Uhr – 05:00 Uhr verlangt.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht.

Vorliegend war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung am 17.07.2013 jedenfalls ab 03:00 Uhr wegen der um 13:00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung unzumutbar, weil ihm bei Fortsetzung seiner Arbeit zwischen den Arbeitsschichten keine durchgehende Erholungszeit von 11 Stunden zur Verfügung gestanden hätte.

Das Bundesarbeitsgericht verweist auf § 5 Abs. 1 ArbZG. Hiernach ist dem Arbeitnehmer nach Beendigung seiner täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kann es dahin stehen, ob die Zeit der Erbringung der Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbZG ist und § 5 Abs. 1 ArbZG deshalb Anwendung findet. Jedenfalls sei dem Betriebsratsmitglied bei einer solchen Situation ein Beurteilungsspielraum eröffnet, das heißt, dass Betriebsratsmitglied darf nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, ob die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar ist.

Hätte der Kläger die Nachtschicht bis um 06:00 Uhr zu Ende gearbeitet, dann hätte er nur noch eine Ruhezeit von 7 Stunden bis zum Beginn der Betriebsratstätigkeit ab 13:00 Uhr gehabt. Da das Gesetz von einer Ruhezeit von mindestens 11 Stunden ausgeht nach Arbeitsende, konnte das Betriebsratsmitglied nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, seine Arbeitstätigkeit im Schichtbetrieb bereits um 03:00 Uhr einzustellen. Das Betriebsratsmitglied hatte so dennoch nur eine Ruhezeit von 10 Stunden anstatt der gesetzlich vorgesehenen 11 Stunden.

Auswirkungen auf die Praxis für Arbeitnehmer und Betriebsräte

Die nunmehr vom Bundearbeitsgericht getroffene Entscheidung ist zu begrüßen. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und insoweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Damit soll nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (07.06.1989 – 7 AZR 500/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 72) einerseits die Amtsführung gesichert und andererseits das Betriebsratsmitglied bei der Amtsausübung vor Entgeltnachteilen durch Arbeitsversäumnis geschützt werden. Deshalb ist § 37 Abs. 2 BetrVG nicht nur dann einschlägig, wenn die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben unmittelbar den Ausfall der Arbeitsleistung zur Folge hat. Eine Minderung des Arbeitsentgelts darf vielmehr auch dann nicht eintreten, wenn eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit liegt, sie aber die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich bzw. unzumutbar macht.

Unter Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG ist jede Tätigkeit zu verstehen, die der Befriedigung eines entsprechenden arbeitgeberseitigen Bedürfnisses dient. Prägend für das Vorliegen von Arbeit ist also, dass für einen Arbeitgeber bestimmte, sein Weisungsrecht nach § 106 GewO unterliegende Tätigkeiten verrichtet werden (BAG 25.04.1962 – 4 AZR 213/61 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 6; Baeck/Deutsch, ArbZG 3. Auflage, § 2 Rn. 4).

Die Vorinstanz des Landesarbeitsgerichts Hamm hat mit Urteil vom 20.02.2015 (13 Sa 1386/14) hierzu entschieden, dass die Betriebsratstätigkeit nicht die Voraussetzung einer Arbeitszeit erfüllt. Denn der Betriebsrat und seine Mitglieder werden zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs aufgrund eines ihnen in einer demokratischen Wahl verliehenen Mandats tätig und nehmen in dieser Position Amtsaufgaben wahr, ohne dabei an irgendwelche für eine Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ArbZG prägenden Weisungen des Arbeitgebers gebunden zu sein. Bestätigt werde dies durch die Bestimmung des § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach Betriebsratsmitglieder ein Ehrenamt führen, also Amts- und keine Arbeitstätigkeiten ausführen.

Den vorgenannten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Ebenso wie das Landesarbeitsgericht Hamm kommt das Bundesarbeitsgerichts zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die einschlägige Bestimmung des ArbZG in einem solchen Fall entsprechend, d. h. analog anzuwenden ist.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Betriebsratsmitglieder wegen einer bevorstehenden Betriebsratstätigkeit einen Beurteilungsspielraum haben, ob ihnen die Erbringung der Arbeitsleistung ganz oder teilweise unzumutbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Einhaltung der Arbeitszeit dazu führen würde, dass die Betriebsratsmitglieder die durch das ArbZG vorgegebenen Ruhezeiten nicht mehr einhalten können. Hier ist insbesondere auf den Schutzzweck des § 5 Abs. 1 ArbZG abzustellen, wonach die 11-stündige ununterbrochene Ruhezeit der angemessenen Entspannung und Erholung sowie der Entfaltung der Persönlichkeit außerhalb des Berufslebens dient. Es soll sichergestellt werden, dass Beschäftigte nicht wegen Übermüdung oder wegen eines unregelmäßigen Arbeitsrhythmus sich selbst oder Kollegen oder andere Personen verletzen und weder kurz- noch langfristig ihre Gesundheit schädigen.

Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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