Die betriebsbedingte Kündigung
von Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte, Darmstadt
Nachfolgend finden Sie Informationen zu den Fragen, was eine betriebsbedingte Kündigung ist, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen eine betriebsbedingte Kündigung hat und welche Möglichkeiten Sie haben, sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung zur Wehr zu setzen, um um den Erhalt Ihres Arbeitsplatzes zu kämpfen oder aber um eine Abfindung zu erstreiten.
Außerdem finden Sie eine Darstellung über die bei einer betriebsbedingten Kündigung zu beachtende Sozialauswahl, Hinweise wann eine betriebsbedingte Kündigung auf jeden Fall unwirksam ist und was man als betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer unbedingt beachten sollte.
- Was versteht man unter einer betriebsbedingten Kündigung?
- Unter welchen Voraussetzungen kann Ihr Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen?
- Wann liegen dringende betriebliche Gründe für einen Personalabbau vor?
- Wann ist eine Kündigung „dringlich“?
- Wann ist die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich?
- Auf welchen Beurteilungszeitpunkt kommt es beim Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung an?
- Wie vollzieht sich die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung?
- Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung auf jeden Fall unwirksam?
- Was tun beim Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung?
- Was kann ich für Sie tun?
Was versteht man unter einer betriebsbedingten Kündigung?
Unterfällt Ihr Arbeitsverhältnis dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), so kann Ihr Arbeitgeber nur drei Gründe für eine Kündigung heranziehen, nämlich die Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers, die Kündigung aus Gründen im Verhalten des
Arbeitnehmers und die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen.
Als betriebsbedingte Kündigung wird eine Kündigung bezeichnet, die Ihr Arbeitgeber auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Kann der Arbeitgeber letztendlich nachweisen, dass der konkrete Beschäftigungsbedarf für den Arbeitnehmer wegfällt, so kann eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Allerdings darf aufgrund von Erfahrungen die These aufgestellt werden, dass sehr viele betriebsbedingte Kündigungen erfolgreich angegriffen werden können mit dem Ziel, um den Erhalt des Arbeitsplatzes zu kämpfen oder aber um eine Abfindung zu erstreiten.
In der Praxis werden betriebsbedingte Kündigungen oft vor dem Hintergrund eines Umsatzrückgangs oder der Schließung oder Auslagerung von Abteilungen, bei Maßnahmen der Umstrukturierung oder bei Betriebsstilllegung ausgesprochen.
Unter welchen Voraussetzungen kann Ihr Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen?
Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich auf Dauer entfällt und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.
Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Soll von mehreren Arbeitnehmern, die unter betrieblichen Gesichtspunkten gleichermaßen für eine Kündigung in Betracht kommen, nur Einem oder Einigen gekündigt werden, muss gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine Auswahl erfolgen. Wird hiergegen verstoßen, ist die Kündigung unabhängig vom Vorliegen betrieblicher Gründe gegenüber dem falsch ausgewählten Arbeitnehmer sozialwidrig, § 1 Abs. 3 KSchG.
Die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist damit dreistufig zu prüfen:
1) Zunächst ist der Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten festzustellen.
2) Sodann ist das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu prüfen.
3) Schließlich ist – sofern mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen sind – eine soziale Auswahl unter den in Betracht kommenden Arbeitnehmern vorzunehmen.
Wann liegen dringende betriebliche Gründe für einen Personalabbau vor?
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben.
Außerbetriebliche Gründe können Auftragsmangel oder Umsatzrückgang sein. Hierdurch fällt jedoch in der Regel nicht unmittelbar ein Arbeitsplatz weg. Nur wenn ein dauerhafter Umsatz- oder Auftragsrückgang unmittelbar zur Verringerung einer bestimmten Arbeitsmenge führt, liegt hierin allein ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer eine bestimmte Umsatzhöhe in eine konkrete Relation zur Anzahl der Beschäftigten stellt. Hier ist aufgrund der Erfahrung in der Praxis ausdrücklich hervorzuheben, dass sich Arbeitgeber oftmals
nur pauschal auf einen Umsatzrückgang oder Auftragsmangel berufen, ohne dass sie konkret darstellen können, dass hierdurch bedingt dauerhaft der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer wegfällt. Es bestehen mithin oftmals gute Chancen, um den Erhalt des Arbeitsplatzes zu kämpfen oder aber eine gute Abfindung zu erzielen. Selbstredend ist Voraussetzung hierfür, dass innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben wird
In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis zur Kündigung nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (z. B. Auftragsrückgang), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen veranlassten unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers. Die außerbetrieblichen Umstände sind regelmäßig nur Motiv für unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers. Hierzu gehören z. B. Rationalisierungsmaßnahmen wie die Zusammenlegung von Abteilungen, Erhöhung der Arbeitsdichte, Neubestimmung des Anforderungsprofils für einen eingerichteten Arbeitsplatz, Übertragung der Arbeitsaufgaben von Arbeitnehmern auf freie Dienstnehmer, Umstellung, Einschränkung oder Verlagerung der Produktion. Eine unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation kann auch ein Gesamtkonzept beinhalten, das sowohl die Umgestaltung aller bisherigen Arbeitsplätze als auch die Reduzierung des bisherigen Arbeitsvolumens zum Gegenstand hat.
Die Unternehmerentscheidung muss grundsätzlich darauf gerichtet sein, den Beschäftigungsbedarf auf Dauer entfallen zu lassen. Nur dann ist sie „dringend“. Der Arbeitgeber hat hierfür eine Prognose darzulegen, wonach im Kündigungszeitpunkt der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei Ablauf der Kündigungsfrist für wirtschaftlich erhebliche Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Hierbei ist zu beachten, dass eine sogenannte Austauschkündigung unzulässig ist. Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber an einer ernsthaften unternehmerischen Entscheidung gehindert wäre, die bisher durch Arbeitnehmer erledigten Tätigkeiten auf andere Weise ausführen zu lassen.
Der Arbeitgeber hat im Kündigungsschutzprozess seine Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht u. a. prüfen kann, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Wann ist eine Kündigung „dringlich“?
Eine betriebsbedingte Kündigung darf nur dann ausgesprochen werden, wenn sie „dringlich“ ist. Das Merkmal der „Dringlichkeit“ der betrieblichen Erfordernisse konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die aus der unternehmerischen Entscheidung resultierenden
betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund der betrieblichen Verhältnisse nicht möglich ist, die unternehmerische Entscheidung durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung umzusetzen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Das Gesetz stellt damit hohe Anforderungen an den Ausspruch einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung, da eine Kündigung immer nur das letzte Mittel zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses darstellen kann (sogenannter Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
Die Einführung von Kurzarbeit kann ein milderes Mittel zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung darstellen, weil Kurzarbeit regelmäßig nur bei vorübergehendem Arbeitsmangel in Betracht kommt, eine betriebsbedingte Kündigung jedoch grundsätzlich den dauerhaften Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten voraussetzt. Eine betriebsbedingte Kündigung im Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber bereits eingeführten Kurzarbeit ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nur dann gerechtfertigt, wenn über die Gründe hinaus, die zur Einführung von Kurzarbeit geführt haben, weitergehende inner- oder außerbetriebliche Gründe vorliegen, die auf Dauer für den gekündigten Arbeitnehmer das Weiterbeschäftigungsverhältnis entfallen lassen.
Eine betriebsbedingte Kündigung ist gegenüber dem Arbeitnehmer nur dann sozial gerechtfertigt, wenn keine anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Die Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen ist nicht nur – wie die soziale Auswahl – betriebsbezogen, sondern erstreckt sich auf das gesamte Unternehmen. Die Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch der zuständigen Personalvertretung bzw. des Betriebsrates vorliegt, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einen freien gleichwertigen oder geringwertigeren Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens möglich ist.
Wann ist die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich?
Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus. Als „frei“ sind zunächst solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Weiterhin sind aber auch solche Arbeitsplätze in die Beurteilung einzubeziehen, die im Laufe der Kündigungsfrist – etwa wegen altersbedingten Ausscheidens – sicher freiwerden, weil in diesem Falle in Wahrheit kein Arbeitskräfteüberhang besteht, der den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigten könnte. Als frei gelten auch Arbeitsplätze, bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar ist jedenfalls ein Zeitraum, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde.
Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Prüfung der unternehmensbezogenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht die Freikündigung eines anderen besetzten Arbeitsplatzes verlangen. Ein Arbeitsplatz kann grundsätzlich auch dann als frei angesehen werden, wenn er mit einem Leiharbeitnehmer besetzt ist. Dies gilt freilich nicht, wenn es zum unternehmerischen Konzept gehört, die Arbeiten auf diesem Arbeitsplatz nicht etwa von eigenen Beschäftigten, sondern von Leiharbeitnehmern ausführen zu lassen. Insoweit gilt nichts Anderes, als bei der Vergabe von Aufgaben an einen Selbständigen.
Besteht zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber vom Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedürfnis ausgeht, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu gleichen oder zumutbaren geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz, kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes diesen nicht dadurch zunichte machen, dass er die freie Stelle zunächst besetzt und erst dann die Kündigung ausspricht.
Auf welchen Beurteilungszeitpunkt kommt es beim Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung an?
Grundsätzlich muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Kündigungsgrund – Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit – vorliegen. Erforderlich ist, dass die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Die kündigungsrelevanten betrieblichen Umstände haben greifbare Formen, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitgeber sich ernstlich und endgültig entschlossen hat, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben. Deshalb ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht gerechtfertigt, so lange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwägt oder plant, aber noch nicht gefasst hat. Unterbreitet ein Kaufinteressent vor Ausspruch der Kündigung dem Arbeitgeber ein Angebot zum Kauf des Betriebs, das vom kündigenden Arbeitgeber nicht mit einer Absage wegen endgültiger Stilllegung beantwortet wird, sondern mit der Aufnahme konkreter Verhandlungen, liegt keine endgültige Stilllegungsentscheidung vor. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch dann unwirksam, wenn sich ein Reinigungsunternehmen, dessen noch laufender Reinigungsauftrag nicht verlängert worden ist, an der Neuausschreibung beteiligt und bei Ausspruch der Kündigung die Neuvergabe noch offen ist.
Wie vollzieht sich die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung?
Die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung dient dazu festzustellen, welche Arbeitnehmer von der Kündigung betroffen sein werden. Denn nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die soziale Auswahl dient der personellen Konkretisierung der zur Kündigung führenden dringenden betrieblichen Erfordernisse des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Hierbei vollzieht sich die Sozialauswahl nach der Rechtsprechung in drei Schritten:
1) Zunächst ist festzustellen, welche Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen sind.
2) In einem zweiten Schritt sind für die betroffenen Arbeitnehmer die im Gesetz genannten Sozialdaten festzustellen und zu gewichten.
3) Abschließend ist zu prüfen, welche Arbeitnehmer aus den in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG genannten Gründen unberücksichtigt bleiben. Maßgebend sind stets die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Das vorgenannte Prinzip der Sozialauswahl bedeutet, dass nur diejenigen Arbeitnehmer gekündigt werden können, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind.
Hierzu besagt die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 3 bis 5 KSchG in der ab dem 01.01.2004
geltenden Fassung:
Ist ein Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Abs. 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, in berechtigtem betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des BetrVG oder in einer entsprechenden Richtlinie nach dem Personalvertretungsgesetz festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Abs. 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
5) Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Abs. 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleiches wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2.“
Wie Sie aus dem zuvor zitierten Gesetzestext des § 1 Abs.3 KSchG entnehmen können, muss der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung der betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es bei der Sozialauswahl in der Regel diejenigen trifft, die eher jung und eine vergleichsweise kurze Betriebszugehörigkeit aufweisen, keine Unterhaltspflichten zu erfüllen haben und die keine Schwerbehinderung aufweisen.
Zur Illustration dient folgendes Beispiel:
Ihr Arbeitgeber steht vor der Entscheidung, Ihnen oder Ihrem Arbeitskollegen Meyer kündigen zu müssen. Sie beide üben die gleiche Tätigkeit im Betrieb aus. Ihr Kollege Meyer ist 28 Jahre alt, ledig, hat keine Unterhaltsverpflichtungen und ist erst seit drei Jahren im Betrieb. Sie hingegen sind 50 Jahre alt, verheiratet und haben zwei Kinder, denen gegenüber sie unterhaltsverpflichtet sind und weisen eine Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren auf. In einem solchen Fall ginge die Sozialauswahl eindeutig zu Ihren Gunsten aus.
In der Praxis gestaltet die Sozialauswahl sich jedoch durchaus als wesentlich schwieriger als das vorgenannte einfache Beispiel. Zunächst ergeben sich oft Probleme bei der Feststellung, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, weil sie miteinander als vergleichbar gelten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der zur Sozialauswahl durchzuführende Vergleich sich immer nur auf dieselbe Ebene der Betriebshierarchie (sogenannte horizontale Vergleichbarkeit) erstreckt. Vergleichbar sind demnach diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer bisherigen Tätigkeit im Prinzip untereinander austauschbar sind und der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts auch dem jeweiligen Arbeitnehmer die Arbeit des anderen Arbeitnehmers zuweisen kann. Aus der Sozialauswahl heraus fallen dagegen unkündbare Arbeitnehmer sowie solche Arbeitnehmer, auf die der Arbeitgeber wegen besonderer Kenntnisse oder Qualifikationen in besonderer Weise angewiesen ist. In einem solchen Fall spricht man von sogenannten „Leistungsträgern“ im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Mehr hierzu lesen Sie bitte unter der Rubrik „Veröffentlichungen: Die Ausklammerung von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl beim Kündigungsschutz“.
Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung auf jeden Fall unwirksam?
Besteht in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat, so ist jede ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn Ihr Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört hat (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).
Im Falle des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung sollten Sie daher nach Erhalt der Kündigung unverzüglich bei Ihrem Betriebsrat vorstellig werden und diesen fragen, ob er vor Ausspruch Ihrer Kündigung überhaupt angehört worden ist. Falls ja, dann bitten Sie den Betriebsrat um Aushändigung der erfolgten Kündigungsanhörung durch den Arbeitgeber. Dies ermöglicht es dem Sie vertretenden Rechtsanwalt als Spezialist für Arbeitsrecht vorab möglichst gut beurteilen zu können, ob die ausgesprochene Kündigung gerichtlich wirksam angegriffen werden kann.
Unwirksam sind auch oft Kündigungen, die gegenüber bestimmten Arbeitnehmergruppen ausgesprochen werden. So genießen Mitglieder des Betriebsrates, Schwangere und schwerbehinderte Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch einer wirksamen Kündigung weitere Formalien beachten, so muss er z. B. vor Ausspruch einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Mehr lesen Sie bitte unter dem Stichwort: „Kündigungsschutz“.
Was tun beim Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung?
Wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, müssen Sie sich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung entscheiden, ob Sie dagegen Kündigungsschutzklage erheben wollen oder nicht. Wenn Sie diese in § 4 Satz 1 KSchG bestimmte Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage versäumen, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG).
Es ist daher von allergrößter Wichtigkeit, dass Sie die gesetzliche Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beachten.
Mehr hierzu lesen Sie bitte unter Kündigung.
Die Beachtung der Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage ist nicht
nur dann wichtig, wenn Sie mit der Klage Ihre weitere Beschäftigung durchsetzen wollen.
Die Einhaltung der Frist ist genauso wichtig, wenn Sie das Ziel verfolgen, eine gute Abfindung aushandeln wollen. Ist nämlich die Klagefrist abgelaufen, so ist die ausgesprochene Kündigung wirksam und Ihr Arbeitgeber hat kein Risiko mehr, den Kündigungsschutzprozess zu verlieren. In einer solch schlechten Ausgangssituation ist daher normalerweise nicht davon auszugehen, dass sich Ihr Arbeitgeber noch auf die Zahlung einer Abfindung einlassen wird. Hingegen sind Arbeitgeber grundsätzlich bereit, eine Abfindung zu bezahlen, wenn diesen in einem Kündigungsschutzprozess dargelegt werden kann, dass die von ihnen ausgesprochene Kündigung durchaus mit Mängeln behaftet ist und damit unwirksam sein kann.
Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung oder können Sie rechtliche Vertretung durch Ihre Gewerkschaft beanspruchen, so riskieren Sie durch eine Kündigungsschutzklage in der Regel nichts. Vielmehr haben Sie im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage die Möglichkeit, um Ihren Arbeitsplatz zu kämpfen oder aber die Chance auf eine Abfindung.
Sollten Sie die Kosten nicht von einer Rechtsschutzversicherung oder durch eine Sie vertretende Gewerkschaft erstattet bekommen, sollten Sie im Falle des Erhaltes einer Kündigung dennoch einen Rechtsanwalt als Spezialisten für Arbeitsrecht aufsuchen, um die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage überprüfen zu lassen. Außerdem besteht je nach Ihrer finanziellen Lage die Möglichkeit, dass der Staat die Kosten für Ihren Rechtsanwalt im Wege der Prozesskostenhilfe übernimmt.
Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte
Schleiermacherstraße 10
64283 Darmstadt
Tel.: 0 61 51 / 951- 600
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Was kann ich für Sie tun?
Wenn Ihnen eine Kündigung in Aussicht gestellt worden ist oder wenn Sie eine Kündigung erhalten haben und daher vor der Entscheidung stehen, eine Kündigungsschutzklage zu erheben oder sich auf eine außergerichtliche (Abfindungs-)Lösung einzulassen, berate ich Sie jederzeit gerne. Je nach Lage des Falles bzw. entsprechend Ihren Wünschen trete ich entweder nach außen nicht in Erscheinung oder aber ich verhandele in Ihrem Namen mit Ihrem Arbeitgeber bzw. mit den Vertretern der Gesellschafter. Hierbei berücksichtige ich selbstverständlich Ihre Wünsche, ob Sie um dem Bestand ihres Arbeitsverhältnisse kämpfen möchten oder aber lieber eine Abfindungslösung anstreben. Mehr hierzu lesen Sie bitte unter Abfindung.
Für eine möglichst rasche effektive Beratung benötige ich folgende Unterlagen:
- Arbeitsvertrag / Geschäftsführereinstellungsvertrag
- Gehaltsnachweise
- Kündigungsschreiben (falls vorhanden)
- Angebot Abwicklungsvertrag (falls vorhanden)
- Angebot Aufhebungsvertrag (falls vorhanden)
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