Interessenausgleich und Sozialplan (§ 112 BetrVG ) von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Bär, Darmstadt

Der folgende Beitrag stellt Informationen zur Verfügung was ein Interessenausgleich ist, wann er erforderlich ist, in welchen Verfahren und Form ein Interessenausgleich versucht werden muss, wann die Einigungsstelle anzurufen ist, welche Rechtsnatur der Interessenausgleich hat, ob ein Rahmeninteressenausgleich oder ein Teilinteressenausgleich möglich ist und was wir für Sie tun können.

Interessenausgleich

Gegenstand und Erforderlichkeit

Der Arbeitgeber hat bei jeder Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG die Herbeiführung eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat zu versuchen. Gegenstand des Interessenausgleichs ist, ob, wann und in welcher Form die vom Unternehmen geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll (BAG Beschluss vom 27.10.1987 – 1 ABR 9/86). Er soll nach Möglichkeit die Entstehung wirtschaftlicher Nachteile verhindern bzw. abmildern.

In dem Interessenausgleich werden oft Regelungen über die Termine für Entlassungen oder Freistellungen, Einführung von Kurzarbeit und die Vereinbarung von Auswahlrichtlinien für Versetzungen und Entlassungen festgelegt. Die namentliche Benennung der von Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich (sogenannte Namensliste) ist nur in Ausnahmefällen gestattet und sollte deshalb von einem Betriebsrat nur nach reiflicher Überlegung und in seltenen Ausnahmefällen verwendet werden. Die in § 1 Abs. 5 KSchG vereinbarte Namensliste kann nicht gegen den Willen des Betriebsrats eingeführt werden und hat gravierende Auswirkungen zu Lasten der gekündigten Arbeitnehmer. So stellt § 1 Abs. 5 KSchG die gesetzliche Vermutung auf, dass die Kündigung der namentlich genannten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, begrenzt die Überprüfung der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit und erleichtert damit die Durchsetzung der Kündigung erheblich. Die Namensliste ist somit eine erhebliche Abweichung von der ansonsten gesetzlich vorzunehmenden Sozialauswahl und verschiebt letztendlich die Darlegungs- und Beweislast sowohl in Bezug auf das Nichtvorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen als auch einer fehlerhaften Sozialauswahl voll auf die Arbeitnehmer. Deshalb sollte eine Namensliste wirklich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nach reiflicher Überlegung durch den Betriebsrat akzeptiert werden.

Auch im Fall einer Insolvenz besteht die Verpflichtung, einen Interessenausgleich zu versuchen, wobei es hier erhebliche gesetzliche Erleichterungen zur Durchführung des Verfahrens nach den §§ 121, 122 InsO gibt. So ist es dem Insolvenzverwalter gestattet , nach drei Wochen erfolgloser Verhandlung über einen Interessenausgleich bzw. die Nichtaufnahme von zu führenden Verhandlungen gem. § 122 Abs. 1 InsO die Zustimmung beim Arbeitsgericht darüber zu beantragen, dass die Betriebsänderung ohne Interessenausgleich durchgeführt werden darf. In diesem Fall ist dann die Regelung des § 113 Abs. 3 BetrVG über einen Nachteilsausgleich nicht anwendbar.

In Tendenzbetrieben gem. § 118 Abs. 1 BetrVG finden die §§ 111 – 113 BetrVG nur insoweit Anwendung, als sie den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen regeln. Somit entfällt die Pflicht zur Verhandlung über einen Interessenausgleich. Tendenzbetriebe sind nach § 118 Abs. 2 BetrVG insbesondere Religionsgemeinschaften und deren karitative und erzieherische Einrichtungen. Zudem fallen hierunter unter anderem Betriebe, die politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, charitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlicheren oder ähnlichen Bestimmungen dienen.

Verfahren und Form

Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vollständig und damit ordnungsgemäß unterrichtet über die Betriebsänderung, so folgen Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans. Hierbei hat der Arbeitgeber stets zu beachten, dass er den Betriebsrat nicht vor vollendete Tatsachen stellen darf, d. h. dem Betriebsrat muss es zum Zeitpunkt der Information über die Betriebsänderung noch möglich sein, auf die beabsichtigte Betriebsänderung Einfluss zu nehmen. Das Verfahren für den Interessenausgleich ist gesetzlich zwingend, eine Einigung ist jedoch gerichtlich nicht erzwingbar. Der Arbeitgeber muss jedoch um Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG zu vermeiden den Interessenausgleich bei dem Betriebsrat ernsthaft versucht haben. Ansonsten begeht der Arbeitgeber eine Obliegenheitsverletzung, die Nachteilsausgleichsansprüche gem. § 113 BetrVG begründen kann.

Scheitern die innerbetrieblichen Interessenausgleichsverhandlungen, so kann nach der gesetzlichen Konzeption der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersucht werden. Erfolgt kein solcher Vermittlungsversuch oder ist dieser erfolglos, muss der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen, um nachzuweisen, dass er alles Mögliche getan hat, um ernsthaft zu einem Interessenausgleich zu gelangen (BAG Urteil vom 07.11.2017 – 1 AZR 186/16).

Interessenausgleich und Einigungsstelle

Scheitert sodann der Vermittlungsversuch der Einigungsstelle, so stellt dies einen ausreichenden Versuch zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs dar. Oftmals wird dabei darüber gestritten, ob und wann ein Scheitern des Interessenausgleichs vorliegt und wer dies bestimmen kann. Gescheitert ist der Versuch zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und über alle Argumente diskutiert worden ist. Kommt ein Interessenausgleich zustande, so ist er schriftlich niederzulegen und von dem Arbeitgeber und Betriebsrat zu unterzeichnen.

Rechtsnatur des Interessenausgleichs

Aus der gesetzlichen Regelung des § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kann entnommen werden, dass es sich bei dem Interessenausgleich im Gegensatz zu einem Sozialplan nicht um eine Betriebsvereinbarung handelt. Der Interessenausgleich hat deshalb keine unmittelbare und zwingende Wirkung für die einzelnen Arbeitnehmer. Daher ist es für den Betriebsrat ratsam, wenn er dem Interessenausgleich die Qualität einer Betriebsvereinbarung gibt. Dies ist möglich und gibt somit die Garantie, dass das, was vereinbart ist, auch entsprechend durch den Arbeitgeber verbindlich umzusetzen ist.

Ist es möglich, einen Rahmeninteressenausgleich oder Teilinteressenausgleich abzuschließen?

Ein Interessenausgleich ist gesetzlich immer zwingend dann abzuschließen, wenn eine konkrete Betriebsänderung vorliegt. Daraus ergibt sich, dass ein Rahmeninteressenausgleich rechtlich gesehen zwingend nicht möglich ist und zudem nicht die dem Betriebsrat zustehenden Mitbestimmungsrechte bei einer dann entstehenden konkreten Betriebsänderung entzogen werden können.

Anders ist dies dagegen bei einem Teilinteressenausgleich, welcher nur bestimmte Maßnahmen oder Phasen innerhalb einer umfassenden Betriebsänderung regelt, abgeschlossen wird. Ein Teilinteressenausgleich ist somit möglich, wenn er eine konkret vorliegende Betriebsänderung regelt.

Was können wir für Sie tun?

Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht berate und vertrete ich Betriebsräte bei einer Betriebsänderung und begleite bei den zu führenden Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Auch unterstütze ich den Betriebsrat bei der Planung und Durchführung von Outplacement-Maßnahmen und berate bei der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit. Zudem biete ich Betriebsräten Seminare zur Thematik Betriebsänderung, Interessenausgleich und Sozialplan an.

Sie benötigen Hilfe und Beratung bei einer Betriebsänderung? Dann nehmen Sie bitte Kontakt zu mir auf und wir klären, ob und wie ich Ihnen helfen kann.

Rechtsanwalt Markus Bär, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Arbeitsrecht für Arbeitnehmer und Betriebsräte

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